Gelegentlich werde ich gefragt, was eigentlich passiert, wenn eine Kollegin oder ein Kollege nicht mehr gut genug spielt, um den Ansprüchen des Orchesters zu
genügen. Eine berechtigte Frage, weil ein Klangkörper wie die Philharmoniker nur dann höchste Qualität erreichen kann, wenn wirklich alle Teile des Systems auf höchstem Niveau
mitgestalten.
Erfreulicherweise kommt es sehr selten vor, dass eine Kollegin oder ein Kollege aus diesem System fällt. Was häufiger vorkommt, sind die üblichen Krankheitsbilder, die man auch aus anderen
Berufen kennt, von Burn-out über Angststörungen bis hin zu physischen Verletzungen. In all diesen Fällen fällt die Musikerin oder der Musiker für mehr oder weniger lange Zeit aus. Im Rahmen
seiner Fürsorgepflicht bietet der Arbeitgeber seine Unterstützung im Genesungsprozess an und bereitet bei Bedarf die Wiedereingliederung vor, wenn die Regeneration weit genug fortgeschritten ist.
Sollte die Erkrankung länger andauern, werden auch für die Stimmgruppen Lösungen gesucht, die einer übermäßigen Belastung Einzelner vorbeugen, denn jede Stimme im Orchester muss besetzt sein.
Gegebenenfalls werden externe Aushilfen hinzugezogen.
Für den Wiedereingliederungsprozess gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist, dass nur Teile des Konzertprogrammes gespielt werden, beispielsweise nur eine Hälfte. Bei Bläsern ist auch die Unterstützung durch einen zweiten Spieler an der eigenen Stimme denkbar. Auch die Auswahl technisch weniger anspruchsvoller Programme kann eine Möglichkeit sein, mit dem Wiedereinstieg zu beginnen.
In den meisten Fällen gelingt mit diesen Maßnahmen die Rückkehr ins Orchester. Wenn nicht, wird nach anderen Lösungen gesucht. In diesen Fällen geht der Arbeitgeber in einen intensiven Dialog mit der oder dem Betroffenen und versucht, andere Berufsfelder zu eröffnen. Da in Deutschland fast alle Orchester von den Ländern, Städten, Kommunen oder den Rundfunkanstalten finanziert sind, gibt es fast immer Möglichkeiten, andere Tätigkeiten innerhalb der Aufgabenbereiche der öffentlichen Träger zu finden. Beispiele benenne ich hier keine, weil es sich immer um einen sehr individuellen Entscheidungsprozess handelt, der viel mit den Interessen und Fähigkeiten der Betroffenen zu tun hat. Natürlich ist es nicht leicht, wenn man seinen eigentlichen Beruf nicht mehr ausüben kann. In einem gefestigten Sozialsystem wie wir es in Deutschland haben, bedeutet es aber erfreulicherweise nicht, dass man um seine Existenz bangen muss. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind wir diesbezüglich ausgesprochen privilegiert, wofür ich wirklich dankbar bin.
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