Ganz bestimmt haben viele von Ihnen die Olympischen Spiele verfolgt. Ich für meinen Teil fand sie großartig. Die Sportstätten mit der unglaublichen Kulisse der Pariser Wahrzeichen im Hintergrund, die Begeisterung des Publikums, und vor allem die Gelegenheit, Sportarten beobachten zu können, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Auch finde ich es ausgesprochen interessant, Menschen aus weniger bekannten Ländern „kennenzulernen“. Wussten Sie beispielsweise, dass Botswana zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine Goldmedaille gewonnen hat? Und zwar nicht in einer unbedeutenden Randsportart, sondern im 200m-Sprint der Herren. Weil einer meiner Söhne auf einer Reise zufällig den Torwart der Nationalmannschaft dieses Landes kennenlernen durfte und noch immer Kontakt zu ihm hat, konnte ich durch einige kleine Videos auf WhatsApp miterleben, wie groß die Freude der dortigen Bevölkerung über diese eine Goldmedaille war. Botswana hat übrigens nur 2,6 Millionen Einwohner auf einer Fläche, die etwa 1,6mal so groß ist wie Deutschland.
Eine Sportlerin, die ich mit großem Interesse bei Olympia beobachtet habe, war Simone Biles. Die großartige Turnerin aus den USA verkörpert für mich eine neue Generation. Ich denke, dass mit ihr und einigen anderen Athletinnen und Athleten eine Zeit beginnt, die durch einen anderen Umgang mit Leistung neue Höchstleistungen erzielen lässt.
Biles hatte als Jugendliche schweren sexuellen Missbrauch durch ihren Sportarzt erleben müssen. Vor einigen Jahren hatte sie sich nach einem Zusammenbruch zurückgezogen, um eine schwere psychische Krise zu bewältigen. Man kann vermuten, dass diese Krise zum einen durch den Missbrauch bedingt war, zum anderen durch den Leistungsdruck, der als Weltklasseathletin auf ihr lastete. Bemerkenswert ist, dass sie nun zurückkehrte und nicht nur ein Niveau an den Tag legte, das ihre bisherigen Leistungen toppte, sondern während des gesamten Turniers eine unbändige Freude ausstrahlte (was mich sehr and die Los Pitutos aus der letzten Kolumne erinnerte).
Offensichtlich hat sie sich aus ihrer Krise herausgearbeitet, indem sie den Umgang mit sich selbst veränderte. In der neu gefundenen Freiheit konnte sie ein neues,
noch höheres Leistungsniveau erreichen. Sie scheint mit sich im Reinen zu sein. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sie kein Problem damit hatte, in einem der Wettbewerbe auch mal Zweite
zu sein. Der Gewinnerin Rebeca Andrade gratulierte sie aus vollem Herzen. Mehr noch, sie kniete sogar nieder, weil sie von Andrades Leistung so beeindruckt war. Was für ein wunderbarer Moment bei
der Siegerehrung!
Mit Freude handeln, mit Rückschlägen umgehen lernen, Gönnen können und ein positiver Blick in die Zukunft. Diese Haltung brauchen wir im Sport, in der Musik, aber auch in der gesamten
Gesellschaft. Damit gewinnen Menschen wie Miles ihre Medaillen und andere verändern damit die Welt. Eben nicht, weil sie jammern, sich als Opfer darstellen und alles schlecht reden, sondern weil
sie an sich und ihren Bedingungen arbeiten. Sie suchen nach Lösungen und halten sich nicht mit Kleinigkeiten auf. Sie packen an, um sich selbst zu entwickeln und ihr Umfeld damit zum Positiven zu
verändern.
Solchen Menschen sollten wir unsere Aufmerksamkeit schenken, nicht den Nörglern, Besserwissern, Menschenfeinden und Hassverbreitern!
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