Ich gebe zu, dass ich mittlerweile nach einem anspruchsvollen Konzertabend länger brauche, um mich davon zu erholen. Womöglich mag es daran liegen, dass die Regenerationsphasen des Körpers nicht mehr so schnell vonstatten gehen wie früher. Wenn ich mich beobachte, halte ich jedoch einen anderen Punkt für wahrscheinlicher. Mit der Erfahrung hat die Intensität dessen, was ich tue, zugenommen. Weil ich weniger mit dem Handwerklichen des eigenen Tuns beschäftigt bin, kann ich tiefer in die Materie eintauchen, weswegen mein Handeln intensiver wird. Nun ist nicht ganz einfach zu beschreiben, was eine Zunahme der Intensität eigentlich bedeutet, denn letztendlich hat es mit einer Ebene zu tun, die über dem Rationalen liegt.
Vielleicht gelingt es, wenn ich einen Vergleich zwischen meinem früheren Spiel und dem Musizieren heute anstelle. In jüngeren Jahren war ich damit beschäftigt, meine Hornstimme zu beherrschen und das, was ich spiele, schön zu gestalten. Ich habe mir über Phrasierungen Gedanken gemacht, über musikalische Linien und auch darüber, wie ich möglichst gut mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammenspiele. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich ein Stück einteilen muss, um physisch durchzuhalten und mich auf herausfordernde Stellen rechtzeitig einzustellen.
Heute habe ich fast alle Stücke so oft gespielt, dass ich sie in- und auswendig kenne. Meine Erfahrung hilft mir das, worüber ich früher beim Spielen nachgedacht habe, gedanklich bei Seite zu legen. Der Fokus liegt im Wesentlichen im Zuhören und neu entdecken. Denn ja, bei den vielen Werken der zahlreichen großen Komponisten entdecke ich immer wieder neue Details. Im Gegenzug dazu wird mein Spiel ausdrucksvoller, weil sich im Gestalten der Musik eine Selbstverständlichkeit entwickelt hat, die zulässt, mehr Innigkeit in das eigene Musizieren zu legen. Auch die Wahrnehmung des Gesamten, vom Klang, über Harmonien bis hin zu den musikalischen Linien in den Haupt- und Nebenstimmen, alles wird umfassender.
Die Intensität ist hoch, sowohl beim Hören als auch beim Spielen. Die Regenerationsphasen nach den Konzerten sind folglich länger. Gleichwohl empfinde ich eine Erfüllung, die ebenfalls länger andauert. Eigentlich gar nicht schlecht dieser Tausch.
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