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Ein Inder

Einige von Ihnen werden meine Kolumne auf den Seiten des MON kennen. Dort schreibe ich über Musik. Politische Themen versuche ich weitgehend außen vor zu lassen. Jetzt, nach der unsäglichen Konferenz von Rechtsextremen in Potsdam, an der auch maßgebliche Vertreter einer ganz bestimmten Partei beteiligt waren, will ich von diesem Grundsatz abweichen. 

Weil man ob solcher Vorfälle fast sprachlos ist, haben wir im Stimmzimmer der Philharmoniker versucht, das Thema mit Galgenhumor zu behandeln.  

Dazu haben wir uns ein Gedankenspiel erlaubt, nämlich wie das Orchester aussehen würde, wenn diese abstrusen Pläne zur Umsetzung kämen. Wir Philharmoniker wären schlicht und ergreifend auf einen Schlag halbiert. Beispielsweise hätten wir keine Solohornisten mehr, keine Solotrompeter, keine Solofagottisten, auch unsere wundervolle japanische Konzertmeisterin wäre nicht mehr da. Unvorstellbar, welche wertvollen Menschen wir verlieren, und welch großartigen musikalischen Inspirationen uns fehlen würden. 

Gehen wir einen Schritt weiter. Auch fast alle Dirigentinnen und Dirigenten hätten dem abstrusen Denken dieser Rechtsextremen zufolge keine Berechtigung mehr, in Deutschland zu wirken. 

Im Zeitraum, in dem ich diese Kolumne schreibe, dirigiert gerade Zubin Mehta einen Brahms-Zyklus bei uns. Die Konzerte des nun 87-Jährigen sind von einer unglaublichen Intensität und ein ganz besonderes, ja geradezu unvergessliches Erlebnis - sowohl für das Publikum, als auch für uns Philharmoniker. 

Zubin Mehta ist bekanntermaßen kein deutscher Dirigent, der Maestro ist Inder. Als Ehrendirigent meines Orchesters und als langjähriger Generalmusikdirektor der Münchner Staatsoper hat er das Kulturleben in Deutschland und weit darüber hinaus über Jahrzehnte maßgeblich mitgestaltet. Er hat zahlreiche Orchester nicht nur dirigiert, vielmehr hat er die Schönheit der Musik in die Herzen von Millionen Menschen getragen. Zudem hat er ganze Musikergenerationen durch seine Interpretationen geprägt. Übrigens ist er neben Lorin Maazel auch einer der beiden Maestros, die die Blaskapelle der Philharmoniker auf unserer Marsch-CD leiteten. Zubin Mehta ist ein Mensch, der für eine Welt steht, die durch Musik verbunden ist. 

Vertreter der besagten Partei würden sich nun vermutlich wieder als bedauernswertes Opfer einer falschen Interpretation ihrer politischen Agenda darstellen. Zubin Mehta sei natürlich nicht Ziel ihrer Pläne. Aber wo liegt die Grenze? Ein großer Dirigent aus Indien würde geduldet, ein Musiker mit Migrationshintergrund nicht?  Und wollen wir diese Entscheidung wirklich in die Hände von Politikerinnen und Politikern legen, die nur das sogenannte Deutsche als Kultur zählen lassen wollen? Wo doch Zubin Mehta beweist, dass kulturelles Leben in Deutschland über Jahrzehnte von einem Inder geprägt wurde?

Nein, das können wir nicht wollen. Kultur ist international, sie bereichert uns vor allem in ihrer Vielfalt. 

Kürzlich hat mir ein leitender Mitarbeiter eines großen Orchesters in den neuen Bundesländern erzählt, dass in Kommunen, in denen die oben erwähnte Partei Mehrheiten hat, Politiker massiv darauf Einfluss nehmen, wer in den Kulturprogrammen in Erscheinung treten darf und, noch viel bedenklicher, wer nicht. 

Potsdam beweist, dass das, was dort im Kleinen geschieht, viel größer gedacht wird. Man will sich gar nicht vorstellen, welche Konsequenzen es (nicht nur) für die Kultur hätte, kämen solche Menschen jemals in Regierungsverantwortung.

 

 



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Kommentare: 1
  • #1

    Walter Dürr (Montag, 12 Februar 2024 09:08)

    Lieber Uli,
    es ist wichtig, die Konsequenzen solcher absurden, aber leider ernst gemeinten Umsturzpläne gegen unsere Demokratie und unsere westlichen, auch christlich-abendländischen Werte mal konkret aufzuzeigen.
    Hoffentlich macht das auch Menschen nachdenklich, die das für nicht so absurd halten.
    Herzlichen Dank dafür!