Vor kurzem habe ich einen Podcast gehört, in dem die Schriftstellerin Ildikó von Kürthy ein Gespräch mit Eva Schulte Austum führte, einer Wirtschaftswissenschaftlerin, die sich im Rahmen ihrer Forschungen mit dem Thema Vertrauen beschäftigt.
Irgendwie war ich überrascht, dass Vertrauen ein Forschungsthema ist, gerade deshalb fand ich es unglaublich aufschlussreich, etwas über die Voraussetzungen und Bedingungen zu hören, die Vertrauen entstehen lassen und fördern.
Ein wesentlicher Faktor ist, sein Gegenüber als gleichwertig zu betrachten. Gerade dieser Punkt hat mich besonders beschäftigt, weil mir kurz bevor ich den Podcast hörte, in einem Taekwondo-Training etwas bewusst geworden war.
In der Regel besteht ein Teil des Trainings aus Partnerübungen, bei denen man sich gegenübersteht und beispielsweise Kicks und Handtechniken trainiert. Als Trainingspartner war mir ein 12-jähriger Junge zugeteilt, ein eher stiller, aber sehr konzentrierter und gewissenhafter Kerl, der einen blauen Gürtel trägt. Wenn man diese Übungen macht, ist es üblich, dass man als höherer Gürtelgrad dem Niedrigeren Impulse für Verbesserungen gibt. So war es auch in diesem Training. Das Besondere aber war, dass nach den ersten Übungen eine Atmosphäre entstand, die es ganz selbstverständlich werden ließ, dass der Junge gemeinsam mit mir überlegte, wie ich meine eigenen Kicks verbessern könne. Ich fand das bemerkenswert und überlegt tatsächlich auf der Heimfahrt des Trainings, wie diese Vertrautheit in so kurzer Zeit entstehen konnte, hatte ich mit diesem Jungen doch bisher noch nie ein Wort gewechselt.
Im Podcast bekam ich die Antwort quasi frei Haus geliefert. Trotz der unterschiedlichen Gürtelgrade und dem wirklich großen Altersunterschied waren wir in diesem Augenblick gleichwertige Trainingspartner. Wir behandelten uns auf Augenhöhe. Ich sehe das übrigens nicht als meinen Verdienst, vielmehr resultierte diese Trainingsatmosphäre aus der Philosophie des Taekwondo, die Graduierungen ausschließlich als Ausdruck des Entwicklungsstandes sieht, nicht als Grad der Wertigkeit und Wichtigkeit.
Auch in der Musik entstehen wirklich bewegende Momente dann, wenn zwischen den Beteiligten großes Vertrauen besteht. Eine Begegnung mit gegenseitiger Wertschätzung, und damit auf Augenhöhe, spielt dabei eine viel größere Rolle, als das Können der Einzelnen. Kommt dann noch höchste musikalische Qualität dazu, ist die Wahrscheinlichkeit eine Sternstunde zu erleben recht groß - egal ob man spielt oder zuhört.
Link zum Podcast von Ildikó von Kürthy mit Eva Schulte Austum:
https://eswirdzeit.podigee.io/32-eva-schulte-austum
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Werner & Margit (Donnerstag, 03 November 2022 11:18)
Wieder ein sehr guter Beitrag zu dem Thema Danke Uli