Anfang Juli hatte ich das Vergnügen, bei einem innerschulischen Wettbewerb des Musikgymnasiums Belvedere in Weimar in der Jury zu sitzen. Diese Schule ist eine Fördermaßnahme für besonders begabte junge Musiker*innen und aus diesem Grund der Musikhochschule Weimar angeschlossen. Am Wettbewerb nehmen ausschließlich Schüler*innen der 11. Klasse teil und präsentierten sich mit ihrem jeweiligen Instrument in einem Konzertprogramm von etwa 25 Minuten Dauer. Selbst für mich, der ich herkömmlichen Musikwettbewerben wie „Jugend musiziert“ sehr kritisch gegenüberstehe, waren diese zwei Tage eine große Bereicherung und eine ausgesprochen positive Erfahrung. Normalerweise werden Wettbewerbe oft als Kräftemessen missverstanden. Es wird streng gewertet, großer Druck ist im Spiel, häufig auch Angst. Es gibt Gewinner und Verlierer. In Weimar war die Grundhaltung eine andere. Diese jungen Menschen haben die Absicht, Musiker*innen zu werden und bekommen die Gelegenheit, sich vor Publikum - in diesem Jahr Corona bedingt sehr reduziert - und einer Jury zu präsentieren. Hauptsächlich geht es darum, zu lernen, wie man mit der Situation eines Solokonzertes umgeht. Natürlich spielen die Preise eine Rolle, sie stehen aber nicht im Vordergrund. Vielmehr ging es darum, in die Situation einzutauchen, Erfahrung zu sammeln, sich gegenseitig zu unterstützen und zu lernen. Gewinner zu sein war zweitrangig. Auch Konkurrenzdenken konnte ich als Juror nicht wahrnehmen. Den sich anschließenden Gesprächen mit der Jury ging eine intensive, in geschlossenem Rahmen durchgeführte Diskussion mit meinen überaus liebenswerten Mitjuroren voraus, der auch die Klassenleiterin und weitere Betreuer beiwohnten. Letztere hatten eine passive Funktion, konnten aber zu persönlichen Umständen oder der individuellen Persönlichkeit der Schüler*innen befragt werden. Somit entstand ein recht umfassendes Bild, das sich nicht nur auf die momentane Leistung bezog, sondern Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten miteinbezog. Obwohl fast ausnahmslos hervorragend musiziert wurde, war es nicht schwer festzulegen, dass ein Pianist den ersten Preis erhalten sollte. Sein Vortrag war technisch brillant, klar strukturiert und von überwältigender musikalischer Ausdruckskraft. Ihm zuzuhören war nicht nur beeindruckend, ich empfand den diese Zeit als Geschenk. Als er sein Konzert beendete, hatten wirklich alle Zuhörer im Raum - mich eingeschlossen - Tränen in den Augen. Natürlich kommen solche Momente auch bei den großen Solisten vor, mit denen wir Philharmoniker spielen. So etwas in einem innerschulischen Wettbewerb zu erleben, war dann doch eine große Überraschung. Bestimmt hat die positive Atmosphäre das ihre getan, diesen jungen Musiker so über sich hinauswachsen zu lassen. Aber genau das sollte unser aller Anspruch für Wettbewerbe und Prüfungen sein. Wir müssen sie so gestalten, dass sie Herausforderungen sind, die wirklich jedem Teilnehmer die Möglichkeit bieten, sich zu entwickeln und über sich hinauszuwachsen. Wertungen können dabei als Hilfestellung dienen, sich selbst einzuordnen. Sie sollten jedoch niemals missbraucht werden, um sich anderen unter- oder überlegen zu fühlen. Belvedere hat aufgezeigt, dass dies möglich ist. Mit dem MON werden wir auf meine Initiative hin ein weiteres System erproben, das in diese Richtung zielt. Es ist den Prüfungen im Kampfsport angelehnt, das Entwicklungs- statt Leistungsprüfungen praktiziert. Ich freue mich sehr, dass der MON hier so große Offenheit zeigt. Eigentlich sollte das Pilotprojekt im Juli dieses Jahres stattfinden. Corona hat dies verhindert. Hoffen wir, dass der Testlauf nächstes Jahr möglich sein wird.
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