Heute steht der C-Virus mal nicht im Vordergrund. Diese Kolumne will ich Gunter Pretzel widmen, einem Bratschenkollegen, der seit Beginn dieses Monats im Ruhestand ist. Wird ein Musiker verabschiedet, geschieht dies in der Regel mit einer Ehrung während einer Probe, einem Blumenstrauß am Ende des letzten Konzertes und einer Würdigung im Programmheft. Ohne dass es jemand ahnen konnte, beendete Gunter seine Karriere aufgrund des plötzlichen Shut-down recht unvermittelt. Niemand konnte ahnen, dass ein Konzert im Februar sein letztes sein wird. Gespielt wurde die Star-Wars-Suite von John Williams. Meiner Meinung nach nicht das schlechteste Stück für einen Abschied. May the force be with you, lieber Gunter!
Es gibt Kollegen, die hören auf und man merkt es kaum, es gibt aber auch Kollegen, die hinterlassen eine Lücke. Gunter gehört für mich definitiv zur zweiten Kategorie – und das obwohl er Bratscher ist (dieser Zusatz ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, aber wichtig, sollte Gunter diese Kolumne lesen).
Gunter war der Orchesterphilosoph und in dieser Hinsicht prägend für meine persönliche musikalische Entwicklung. Eine der Besonderheiten des Orchesterlebens ist, dass es viel Zeit für Unterhaltungen mit Kollegen gibt. Vor allem auf Reisen bieten lange Busfahrten, Wartezeiten am Flughafen oder das Frühstück im Hotel gute Gelegenheiten. Da kommt es schon mal vor, dass sich Gespräche ergeben, von denen man lange profitiert. Traf ich auf Gunter, war das fast immer der Fall. Abgesehen davon, dass wir viel miteinander lachten, waren seine Ausführungen über Musik unglaublich spannend. Gunter versteht es, höhere Ebenen zu beschreiben, ohne dabei in Wortwahl und Aussage abzuheben. Das ist eine besondere Gabe und ich bin sehr dankbar, dass ich davon profitieren durfte. Da er ein eher ruhiger Kollege ist, habe ich leider fast 20 Jahre gebraucht, bis ich merkte, wie wertvoll die Gespräche mit ihm sind. Stille Wasser sind eben tief.
Warum schreibe ich also in einer Blasmusikzeitung über einen Bratscher?
Weil ich ziemlich sicher bin, dass es in fast jedem Musikverein einen oder mehrere solche besondere Menschen gibt. Menschen, die ruhig sind, aber trotzdem viel zu sagen haben, die sich nicht gleich zu Wort melden, aber unbedingt gefragt werden sollten, die viel wissen, dies aber nicht in den Vordergrund stellen. Manchmal braucht es etwas Zeit, bis man sie erkennt.
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