Gerade beschäftige ich mich wieder einmal intensiv mit meinem Alphorn. Es ist ein wunderbares Instrument des Schweizer Alphornbauers Otto Emmenegger, der eng mit Hornroh zusammenarbeitet, einem sehr progressivem Alphornquartett, dessen Konzerte und CDs ich sehr empfehlen kann (www.hornroh.ch). Emmeneggers Instrumente sind durch die Impulse von Hornroh, man beachte das Palindrom, in Bezug auf Intonation und Klang von außerordentlicher Qualität. Das Üben macht mir nicht nur aus diesem Grund besonders große Freude, sondern auch, weil es viel spannende Literatur zu entdecken gibt. Dazu gehören die Alphorn-Solostücke meines Komponistenbruders Georg. Die 32 Miniaturen sind nach den Schafkopf-Karten benannt. Musikalisch besonders spannend ist, dass sie deren Charakter oder Wertigkeit spiegeln. Es sind wunderbare Stücke, blastechnisch zum Teil sehr anspruchsvoll (Noten und CD, eingespielt von Michael Büttler, sind bei www.klangmueller.de erhältlich).
Darüber hinaus lerne ich gerade zahlreiche ‚Kuhreihen‘ kennen, das sind traditionelle Rufe aus verschiedenen Gegenden der Schweiz. Sie dienten dazu, die Kühe auf den Almen zum Melken zu rufen, was tatsächlich funktionierte. Vermutlich sind Kühe musikalischer als man im Allgemeinen denken mag. Angeblich geben sie ja auch mehr Milch, wenn man ihnen Mozart vorspielt. Durch den besonderen Klang der Naturtöne sind ‚Kuhreihen‘ sehr berührend. So verwundert es nicht, dass es im 17. Jahrhundert die sogenannte „Schweizerkrankheit“ gab, bei der nach dem Hören von Kuhreihen Schweizer Söldner so vom Heimweh geplagt wurden, dass sie desertierten. Das Spielen oder Singen dieser Weisen wurde deswegen sogar zeitweise bei Todesstrafe verboten. Eigentlich ist es ja ein schöner Gedanke, dass durch die tiefe Wirkung von Musik Menschen aufhören, in den Krieg zu ziehen (Vielleicht sollten manche Herrscher dieser Welt mehr gute Musik hören). Was die Schweizer Söldner erlebt haben, ist das, was wir als Münchner Philharmoniker unserem Publikum schuldig sind: Ein tiefgehendes musikalisches Erlebnis. Ein Erlebnis, das dem Geist ermöglicht, sich auf höhere Ebenen zu begeben, das emotional berührt, das durch die Qualität und Komplexität der Kompositionen den Intellekt beansprucht, woraus neue Denkimpulse entstehen können – so wie bei den Soldaten. Wenn uns das gelingt, erfüllen wir eine wichtige Aufgabe, sowohl für unser Publikum, als auch für die Gesellschaft im Allgemeinen.
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